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Die Rolle der DB im Bahnstreik

Streik bei der Bahn und kein Ende in Sicht. Dabei wäre eine Lösung zum Greifen nahe – würde die DB endlich das Urteil des Bundesarbeitsgerichts akzeptieren

von Dominique Schmidt

Die Gespräche zwischen Deutscher Bahn und der GDL sind gescheitert. Nachdem es anfangs so aussah, als würde die DB ihre Blockadehaltung gegenüber der GDL aufgeben, entpuppte sich das Angebot der Bahn als Luftnummer. Denn statt der GDL ihr Recht auf Verhandlungen auch für Zugbelgleiter zuzugestehen, fordert die Bahn weiter, dass die EVG bei Streitfragen die Führung in diesem Bereich übernehmen soll.

Bei dem seit Monaten schwelenden Konflikt zwischen DB und GDL geht es im Kern um das Recht einer Gewerkschaft, Tarifverhandlungen für alle ihre Mitglieder zu führen. In der Vergangenheit hatte die GDL bei der Bahn die Verhandlungsführerschaft für Lokführer inne, die EVG für das Zugpersonal. Doch das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Grundsatzurteil von 2010 die bisherige Praxis verworfen, nur einen Tarifvertrag für eine Berufsgruppe in einem Unternehmen gelten zu lassen, da dies dem Grundgesetz zuwiderläuft: „Es gibt keinen übergeordneten Grundsatz, dass für verschiedene Arbeitsverhältnisse derselben Art in einem Betrieb nur einheitliche Tarifregelungen zur Anwendung kommen können.“ Seitdem hat die GDL das Recht, für alle ihre Mitglieder eigene Tarifabschlüsse anzustreben. Die Deutsche Bahn will diese Entscheidung allerdings nicht anerkennen und fordert für sich auch weiterhin Tarifeinheit.

Mit dem nun vorliegenden Angebot hat die DB erstmals versucht, selbst mit der GDL zu einer Lösung zu kommen. Bislang zielte die Taktik der Bahn darauf ab, die Verantwortung für die von ihr gewünschte Tarifeinheit den Gewerkschaften GDL und EVG zuzuschieben. So erklärte die Bahn, sie wolle solange nicht mit der GDL über Zugpersonal verhandeln, bis diese eine Kooperationsvereinbarung mit der EVG abgeschlossen hätte. Frei nach dem Motto: „Löst ihr das Problem für uns, danach unterschreiben wir.“ Da aber weder GDL noch EVG bereit sind, freiwillig auf ihr höchstrichterlich bestätigtes Recht zu verzichten, ist eine Einigung auf diesem Weg ausgeschlossen.

Verschärft hat die Bahn den Konflikt in den letzten Wochen noch dadurch, dass sie einseitig Tarifverhandlungen mit der EVG führte – und zwar für alle ihre Mitglieder, auch für die bislang von der GDL vertretenen Lokführer. Die Bahn gesteht der EVG also dasselbe Recht zu, das sie der GDL verweigert. Vor diesem Hintergrund hat die GDL zu Streiks aufgerufen – sie sind das einzige Mittel, das der GDL zur Durchsetzung ihres Rechts auf Tarifverhandlungen zur Verfügung steht.

In den Medien bleibt der eigentliche Konflikt zwischen DB und GDL nahezu unbeachtet. Die Darstellung konzentriert sich vielmehr auf den angeblichen Machtkampf zwischen GDL und EVG. Nach Meinung der EVG handelt es sich dabei um taktisches Kalkül der Deutsche Bahn AG. Personalchef Weber habe gezielt versucht, dieses Bild in der Öffentlichkeit zu zeichnen, um von eigenen Verantwortlichkeiten abzulenken, so EVG-Pressesprecher Uwe Reitz.

Allerdings ist die EVG selbst nicht unschuldig daran, dass diese Darstellung in den Medien breiten Anklang gefunden hat. Denn sie unterstützt die Forderung der DB nach Tarifeinheit, wohl auch weil ihr durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts ein Machtverlust droht. In der Vergangenheit konnte die EVG für sich das Recht reklamieren, Tarifverhandlungen für die meisten Berufsgruppen im Alleingang mit der Bahn auszuhandeln. Bei einer Umsetzung des Urteils wäre ihr Verhandlungsanspruch auf die eigenen Mitglieder reduziert. Bislang gelten die Tarifabschlüsse der EVG für Zugbegleiter auch für die Mitglieder der GDL.

Eine Einigung in dem Streit schien auch deshalb nicht absehbar, weil sich die Deutsche Bahn AG zuletzt ihre Nähe zum Eigentümer Bund zunutze machen konnte. So kam Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles der Forderung der DB nach, sich ihren durch das BAG-Urteil hinfällig gewordenen Anspruch auf Tarifeinheit nachträglich per Gesetz festschreiben zu lassen. Der Entwurf sieht vor, dass im Falle konkurrierender Tarifverträge diejenige Gewerkschaft federführend sein soll, die in der jeweiligen Berufsgruppe die Mehrheit der Mitglieder vertritt. Ein solcher Entwurf ist schon deshalb bemerkenswert, weil es dasselbe Prinzip wieder herstellen würde, das vom Bundesarbeitsgericht als nicht grundgesetzkonform verworfenen wurde.

Dennoch ist in der letzten Woche Bewegung in den Konflikt gekommen. Bahn und GDL trafen sich in Berlin zu Gesprächen, in denen nach Möglichkeiten gesucht wurde, wie die Tarifeinheit bei der Bahn gewahrt bleiben könnte, ohne die Rechte der GDL zu beschneiden. Dabei sah es zunächst danach aus, als würde man sich einig. Umso ernüchternder dann der Vertrag, den die DB am Sonntagabend präsentierte. Denn im Kern soll alles beim Alten bleiben: Die EVG bleibt bei Zugpersonal verhandlungsführend, die GDL darf dabeisitzen und abnicken. Mit dieser Blockadehaltung provoziert die DB nun die wohl längsten Bahnstreiks der Geschichte – auf Kosten von Zugpersonal und Bahnkunden.

Mit dem Platzen der Verhandlungen hat die DB ihren Standpunkt noch einmal bekräftigt: Tarifeinheit um jeden Preis. Damit aber rückt eine Lösung in weite Ferne. Vermutlich würde eine öffentlich Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Bahn-Forderung nach Tarifeinheit die Situation nachhaltig verändern. Denn die Argumente, die die DB bislang hervorgebracht hat, sind schnell widerlegt. Weder ist es unmöglich, zwei Tarifverträge für ein und dieselbe Berufsgruppe in einem Unternehmen zu etablieren, noch ist die Tarifeinheit dazu geeignet, den sozialen Frieden bei der Bahn sicherzustellen. Die GDL weist zurecht darauf hin, dass der Bahn die unterschiedliche Behandlung derselben Beschäftigtengruppe im Unternehmen schon seit Jahren mühelos gelingt, wenn das personalpolitisch opportun ist. Außerdem zeigten unzählige Beispiele etwa bei der Vogtlandbahn oder der Albtal Verkehrsgesellschaft, dass Tarifpluralität bereits heute funktioniere. Und wie es um die soziale Ordnung bei der Bahn bestellt ist, ist den Mitarbeitern der DB noch aus dem Jahr 2007 bekannt. Damals wollte die Bahn im Verbund mit der EVG-Vorgängergewerkschaft Transnet die Einstellung 1000 neuer Lokführer zu einem Stundenlohn von 7,50 Euro über eine Zeitarbeitstochter durchsetzen. Das Vorhaben scheiterte schließlich am Widerstand der GDL.

Bildnachweis: Carsten Senkfeil / flickr / CC BY-NC-SA

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