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Nordstream-Anschläge: Interview mit dem Kanzler

Olaf Scholz

Die Berichterstattung im ÖRR zu den Nordstream-Anschlägen offenbart eines: Selbst die absurdeste Erzählung klingt plausibel, wenn die wesentlichen Informationen vorenthalten werden. Wir haben Bundeskanzler Olaf Scholz deshalb ein paar Fragen gestellt. Eine Persiflage.

Von Dominique Schmidt

Herr Scholz, am Montag kam es vor der dänischen Ostseeinsel Bornholm zu einem Druckabfall an den Gaspipelines Nordstream 1 und 2. Offenbar tritt durch ein Leck Gas aus. Können Sie uns etwas zum Stand der Erkenntnisse mitteilen?

Momentan tappen wir noch völlig im Dunkeln.

Welche Informationen liegen Ihnen denn vor?

Wir wissen, dass es mehrere Detonationen gab. Die Ursache ist aber noch völlig unklar.

Die Regierung von Dänemark spricht von einem Anschlag. Teilen Sie diese Sicht?

Ein Anschlag ist natürlich nicht auszuschließen. Wir halten das inzwischen sogar für das wahrscheinlichste Szenario.

Die Dänen sprachen auch davon, dass nur staatliche Stellen infrage kommen.

Ich will nicht spekulieren, aber sicherlich bräuchte man für einen solchen Anschlag U-Boote und/oder Kampftaucher. Über so etwas verfügen eigentlich nur Staaten.

Das würde ja den Kreis der Verdächtigen eingrenzen. Welcher Staat könnte denn so etwas wollen?

Da wäre zunächst der Russe, also Putin. Aber auch der Iran und Nordkorea kämen in Betracht. Nicht zu vergessen China.

Welche Motive hätten diese Länder denn?

Hass. Diese Länder lassen keine Gelegenheit ungenutzt, unsere westlichen Demokratien zu schwächen. Ein Anschlag auf die Gasversorgung passt da bestens ins Bild.

Aber wie hätten sie das tun können? Schließlich verfügt von den genannten Ländern nur Russland sowohl über einen Ostseezugang als auch über U-Boote und Kampftaucher.

Das stimmt. Von den Staaten mit Zugang zur Ostsee haben neben uns nur Finnland, Dänemark, Schweden, Polen und Russland U-Boote oder Kampftaucher. Ohne hier jetzt groß spekulieren zu wollen muss ich sagen, dass das Russland natürlich zu einem Hauptverdächtigen macht.

Aber warum sollte Russland seine eigene Pipeline sprengen, nachdem man sie gerade erst gegen großen Widerstand aus den USA und Europa fertiggestellt hat? Abgesehen davon, dass auf Ihre Initiative hin bislang eh kein Gas durch Nordstream 2 floss: Könnte Russland nicht einfach den Gashahn zudrehen, wie man es ja bereits bei Nordstream 1 gemacht hat?

Wir dürfen nicht vergessen, dass Russland nicht nur einen Angriffskrieg in der Ukraine führt, sondern auch einen hybriden Krieg gegen den Westen. Ein Anschlag auf die Gasversorgung schafft Unruhe an den Energiemärkten und schürt Ängste in der Bevölkerung. Er enthält aber auch eine Drohung: Seht her, wozu wir in der Lage sind. Schließlich verläuft direkt neben der Detonationsstelle die Baltic Pipe, die erst am Dienstag eingeweiht wurde und Gas von Norwegen nach Deutschland, Polen und in die baltischen Staaten transportieren soll. Die Fertigstellung der Pipeline ist ein wichtiger Schritt, um uns von russischem Gas unabhängig zu machen. Ich halte es für denkbar, dass die Russen eigentlich diese Pipeline treffen wollten. Wir wissen ja vom Ukraine-Krieg, dass Putin immer wieder schwere Fehler unterlaufen.

Nun gilt die Ostsee als das bestüberwachte Binnenmeer weltweit. Sollte man da nicht annehmen, dass es der NATO nicht verborgen bleibt, wer sich in den Gewässern vor Bornholm über oder unter Wasser herumtreibt?

Ja, das zeigt natürlich, mit was für einem gefährlichen Gegner wir es hier zu tun haben. Die Russen sind tatsächlich mit allen Wassern gewaschen. Deshalb besorgt es mich auch, dass die Amerikaner ihr Flagschiff, die Kearsarge, aus der Ostsee abgezogen haben. Die Kearsarge war seit Juni bei Manövern vor Bornholm im Einsatz, um mit unbemannten U-Booten Operationen am Meeresgrund zu üben. Ein Schiff mit solchen Fähigkeiten könnten wir hier jetzt natürlich gut gebrauchen. Aber leider hat die Kearsarge vor ein paar Tagen ihren Einsatz vor Bornholm beendet und ist nach Amerika zurückgekehrt.

Polens Ex-Verteidigungsminister Sikorski hat auf Twitter ein Foto der Stelle im Meer gepostet, an der das Gas austritt und darunter „Thank you, USA“ geschrieben. Was hat er damit gemeint?

Ich denke er wollte damit seinen Dank für das Bemühen der USA um den Schutz der Weltmeere ausdrücken. Einen Zusammenhang mit den Detonationen vom Montag kann ich hier beim besten Willen nicht erkennen.

Aber US-Präsident Biden hat doch bei Ihrem Besuch im Februar in Ihrem Beisein erklärt, er würde dafür sorgen, dass die Pipeline Nordstream 2 nicht in Betrieb genommen wird. Macht ihn das nicht zu einem Tatverdächtigen?

Daran erinnere ich mich nicht mehr. Ich halte das auch für völlig abwegig. Die USA sind unsere Freunde. Warum sollten die so etwas tun?

Zum Beispiel um sicherzustellen, dass Deutschland weiterhin teures Flüssiggas aus den Vereinigten Staaten kauft und nicht dem Druck der Bürger nachgibt, Nordstream 2 doch noch in Betrieb zu nehmen.

Das sind ja nichts als haltlose Spekulationen. Die USA könnten ihr Flüssiggas überall hin exportieren. Dass sie es uns zu großzügigen Konditionen verkaufen zeigt doch, welch tiefe Freundschaft uns verbindet. Nein, die USA kommen als Täter ganz sicher nicht in Betracht.

Aber Deutschland zahlt zehnmal mehr als US-Kunden. Und Staaten haben auch keine Freunde, sondern Interessen. Glauben Sie ernsthaft, die USA würden ihre Interessen nicht durchsetzen, nur weil sie mit uns befreundet sind?

Herr Scholz?

Also gut, kommen wir zur letzten Frage: Welche Schritte werden Sie als Nächstes unternehmen?

Zunächst einmal ist es jetzt wichtig Klarheit zu schaffen. Zu diesem Zweck wird die NATO eingehende Untersuchungen durchführen. Dabei zählen wir insbesondere auf die Unterstützung der USA. Sollte sich herausstellen, dass es sich tatsächlich um einen Anschlag handelt, werden wir eine robuste Reaktion zeigen. Momentan bereiten wir deshalb ein neues Sanktionspaket gegen Russland vor. Außerdem diskutieren wir die Lieferung weiterer schwerer Waffen an die Ukraine. Aber auch Sanktionen gegen China sind natürlich eine Option, die wir uns offenhalten. Es ist wichtig, dass wir jetzt geschlossen zusammenstehen. Wir werden uns nicht unterkriegen lassen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Bundeskanzler.

 

Anmerkung der Redaktion: Bei diesem Beitrag handelt es sich um Satire.

Foto: Finnland – Olaf Scholz / CC BY-ND 2.0

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