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6 Mythen zum Freihandel – Attac entlarvt Argumente der TTIP-Befürworter

Sign versus TTIP

Freihandel schafft Wohlstand und Arbeitsplätze – mit dieser Argumentation versuchen Politiker und Lobbygruppen, uns das Freihandeslabkommen TTIP schmackhaft zu machen. Wahrheit oder Märchen? Attac entlarvt die Mythen der TTIP-Befürworter.

Mythen des Freihandels – Attac entkräftet Argumente der TTIP-Befürworter

von Attac

Dass Freihandel Wohlstand und Arbeitsplätze schafft, war von Anfang an ein Argument der TTIP-Befürworter, um die intransparenten Verhandlungen zu rechtfertigen. Natürlich gibt es auch Studien, die diese positiven Effekte angeblich belegen. Und brauchen wir nicht auch transatlantische Abkommen, um im internationalen Wettbewerb gegenüber China weiter mithalten zu können? Die Argumente, die einige dieser einseitigen Darstellungen entkräften, findet ihr hier als „TTIP Mythen“ zusammengestellt.

Mythos 1: TTIP und CETA sind reine Handelsabkommen. Es geht darum, den Austausch von Gütern und Dienstleistungen zu vereinfachen.

TTIP und CETA sind weit mehr als Handelsabkommen. Sie dienen vor allem dazu, die Macht transnationaler Konzerne zu stärken und demokratische Institutionen zu schwächen.

  • Die Kapitel zum Investitionsschutz etwa sehen ein eigenes Justizsystem vor, das Investoren besondere Klagerechte gegen Staaten einräumt, und zwar ohne jede demokratische Kontrolle.  Auch die Kapitel zur sogenannten „regulatorischen Kooperation“ untergraben demokratische Entscheidungsstrukturen und verschaffen Wirtschaftslobbys die Möglichkeit, unliebsame Gesetzesvorhaben noch vor einer öffentlichen Debatte aus dem Verkehr zu ziehen oder zu verwässern.
  • Durch TTIP und CETA drohen viele soziale, demokratische und ökologische Errungenschaften als „Handelshemmnisse“ definiert zu werden, von der Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel über die Buchpreisbindung bis zu Datenschutz und Finanzmarktregulierungen.
  • Darüber hinaus verbieten die Abkommen Kommunen, Bundesländern und Staaten, einmal privatisierte Betriebe und Branchen wieder in öffentlichen Besitz zu überführen („Sperrklinkenklausel“). Dadurch schaffen sie eine Einbahnstraße in Richtung Privatisierung und Deregulierung.

Mythos 2: Freihandel schafft Wohlstand und Arbeitsplätze.

Die Erfahrung mit bisherigen „Freihandelsabkommen“ zeigt, dass diese Verträge vor allem die Macht und Profitraten transnationaler Konzerne stärken – und dies meist zu Lasten der Bevölkerungsmehrheiten.

  • Die Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA etwa hat für Mexiko zu einer wirtschaftlichen Katastrophe geführt: Millionen von Kleinbauern verloren durch hochsubventionierte Billigimporte aus den USA ihr Einkommen. Auto- und Textilhersteller aus den USA wiederum verlagerten ihre Produktion in den Norden Mexikos, wo nun zu Niedrigstlöhnen in Sweatshops ohne gewerkschaftliche Organisation gearbeitet wird.
  • Freihandel dieser Art fördert einen ruinösen Standortwettbewerb und verringert staatliche Umverteilungsspielräume.

Mythos 3: Studien belegen die positive Wirkung von TTIP auf Wachstum, Arbeitsplätze und Wohlstand.

Kritische Analysen der Studien, auf die sich EU-Kommission und Bundesregierung berufen, ergeben ein prognostiziertes Wirtschaftswachstum in der EU in der Größenordnung von nur 0,1 Prozent pro Jahr. Ökonomen betrachten das als statistisches Rauschen. Außerdem sind die Grundannahmen und Methoden dieser Studien wiederholt von Fachleuten angezweifelt worden. Oft dienen Studien nur dazu, über das Trugbild wissenschaftlicher Legitimation von jenen Unternehmens- und Machtinteressen abzulenken, die die eigentlichen Antreiber für TTIP & Co sind.

  • Selbst Wirtschaftsminister Gabriel musste zugeben, dass Prognosen über die Job- und  Wachstumseffekte von TTIP letztlich „Voodoo-Ökonomie“ sind.
  • Eine Studie der amerikanischen Tufts-Universität, die ein Berechnungsmodell der Vereinten Nationen benutzt, kommt sogar zu negativen Effekten auf Beschäftigung und Wirtschaft.
  • Die EU-Kommission und der BDI haben nach massiver Kritik an unseriösen Wachstumsprognosen und manipulierten Zahlen die falschen Versprechen inzwischen von ihren Webseiten gelöscht. Damit ist das gewichtigste Argument der TTIP-Befürworter in sich zusammengebrochen.

Doch selbst wenn das TTIP-Abkommen tatsächlich einige Promille BIP-Wachstum brächte, müssten wir uns fragen, ob wir demokratische Errungenschaften, Umweltschutz und die Qualität unserer Arbeit diesem Wachstum opfern wollen. Vom Wachstum der letzten zehn Jahre haben sowohl in der EU als auch in den USA fast ausschließlich die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung profitiert, während die Armut gewachsen ist.

Mythos 4: Mit TTIP werden kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gefördert.

Für eine positive oder auch nur neutrale Wirkung von TTIP auf KMU gibt es keine Belege. Da zwei Drittel des transatlantischen Handels auf Großkonzerne entfallen, sind Zugewinne vor allem in diesem Bereich zu erwarten. Angesichts der bestenfalls minimalen gesamtwirtschaftlichen Wachstumseffekte ist sogar davon auszugehen, dass die Zugewinne der Konzerne zulasten von KMU gehen würden.

  • Im Vergleich zu den Global Playern sind die meisten KMU deutlich weniger exportorientiert, oft handelt es sich um hoch spezialisierte Nischenanbieter für lokale und regionale Märkte. Wenn nun durch TTIP die Märkte vergrößert und dereguliert werden, erhöht sich für sie der Wettbewerbsdruck drastisch und Großkonzerne könnten durch Niedrigpreiskonkurrenz ihre Nischen besetzen.
  • Viele staatliche Schutzmechanismen für KMU würden unter TTIP und CETA als „diskriminierend“ gelten und könnten Gegenstand von Klagen werden.
  • Auch von Investor-Staats-Schiedsgerichten würden vor allem Großkonzerne profitieren, weil nur sie die hohen Kosten von durchschnittlich 8 Millionen Dollar pro Verfahren aufbringen können.

Mythos 5: Wir brauchen transatlantische Abkommen wie TTIP und CETA, um zu verhindern, dass China weltweit die Vorreiterrolle übernimmt und schlechte Standards setzt, denen wir uns beugen müssen.

Wirtschaftsminister Gabriel, der dieses Argument gern benutzt, hat TTIP- und CETA-Kritikern wiederholt irrationale „Angstmacherei“ vorgeworfen. Doch das China-Argument ist genau dies: irrationale Angstmacherei. Es folgt dem uralten Muster, die „gelbe Gefahr“ zu beschwören, um eine Politik durchzusetzen, die auf immer mehr Ablehnung in der Bevölkerung stößt.

  • Tatsächlich treiben die EU und Nordamerika durch TTIP und CETA weltweit schlechte Standards voran, die Demokratie, Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte untergraben.
  • Auch in den sogenannten EPA-Abkommen mit afrikanischen und karibischen Staaten hat sich die EU bereits als rücksichtsloser Hardliner erwiesen: Soziale Sicherheit und Menschenrechte in den betroffenen Staaten wurden systematisch den Interessen europäischer Großunternehmen geopfert.
  • Der Verweis auf das angeblich besonders rücksichtslose China dient vor allem dazu, von der aggressiven Handelspolitik der Bundesregierung und der EU abzulenken.

Statt auf einen Handelskrieg gegen China und den Rest der Welt zu setzen, sollten sich Bundesregierung und EU-Kommission für ein faires multilaterales Handelssystem stark machen, das soziale und ökologische Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt. Als größter Wirtschaftsraum der Erde könnte die EU hier vorangehen und vollkommen andere Standards setzen, als es TTIP und CETA tun.
Im Übrigen verhandelt die EU längst auch mit China – ebenfalls im Geheimen – über ein Freihandelsabkommen.

Mythos 6: Die SPD hat klare „rote Linien“ gezogen und stimmt keinem Abkommen zu, das bisherige Standards absenkt. Die Bürger brauchen sich daher keine Sorgen um Demokratie, Arbeitnehmerrechte und Umweltschutz machen.

Der SPD-Parteikonvent hat zwar im Herbst 2014 unter dem massiven Druck von TTIP-Kritikern beschlossen, dass es keine Absenkung von Standards geben dürfe, keine Schiedsgerichte, keinen Regulierungsrat, keinen Privatisierungs- und Deregulierungszwang und dass alle Verhandlungspapiere offengelegt werden müssten.

  • Diese Positionen finden allerdings in den konkreten Verhandlungsprozess zwischen EU und USA so gut wie keinen Eingang. Und weder die SPD-Fraktion noch Wirtschaftsminister Gabriel haben bisher eindeutig erklärt, dass sie TTIP blockieren werden, wenn die Wünsche des Konvents nicht erfüllt werden.
  • Im Gegenteil: Vieles deutet darauf hin, dass TTIP im Ernstfall durchgewunken wird. Statt z.B. die unnötigen und gefährlichen Schiedsgerichte abzulehnen, hat Gabriel sich inzwischen für ein „reformiertes“ ISDS ausgesprochen. Den Regulierungsrat erwähnt er überhaupt nicht und von einer Offenlegung sämtlicher Verhandlungstexte ist keine Rede.
  • Die Nagelprobe für die Glaubwürdigkeit der SPD ist das CETA-Abkommen mit Kanada, das bereits weitgehend ausverhandelt ist. Die Bundesregierung einschließlich von Sigmar Gabriel setzt sich für eine rasche Ratifizierung ein, obwohl dort viele der vermeintlichen roten Linien weit überschritten sind. CETA sieht sowohl private Schiedsgerichte vor als auch „Sperrklinkenklauseln“, die Staaten in eine Einbahnstraße von Deregulierung und Privatisierung zwingen.

Ohne weiteren und noch massiveren Druck von Bürgern werden die konzernfreundlichen Abkommen allen vollmundigen Versprechungen zum Trotz letztlich durchgesetzt werden. Sind sie einmal in Kraft, ist es kaum mehr möglich, sie rückgängig zu machen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf attac.de erschienen.
Bildnachweis: campact / flickr.com / CC BY-NC 2.0

2 Comments

  1. Wer mit mir Verträge aushandeln wollte, die sich als absolut undurchsichtig, unwiderruflich und auch undemokratisch erweisen, disqualifizert sich doch bereits vor Verhandlungsbeginn als unehrlich und hinterhältig. Solchen „Vertragspartnern“ biete ich nicht einmal einen Stuhl an sondern schicke ihn dahin, wo er hergekommen ist, nämlich in die USA.

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